Dienstag, 30. September 2008
Rhizom
Rhizom (griech. ριζωμα [rhizoma] = Wurzel) ist ein zentraler Begriff der Philosophie von Gilles Deleuze und Félix Guattari.
Der Begriff ist der Bezeichnung für Wurzelgeflechte (Rhizome) von Pflanzen abgeleitet. Bei Deleuze und Guattari dient er als Metapher für ein postmodernes beziehungsweise poststrukturalistisches Modell der Wissensorganisation und Weltbeschreibung, das ältere, durch eine Baum-Metapher dargestellte, hierarchische, Strukturen ersetzt. Das philosophische Konzept der Rhizomatik stieß auf großes Interesse in der Wissenschaftstheorie, der Medienphilosophie und den Kulturwissenschaften.

Die Metapher des Rhizoms ist ein Gegenentwurf zur klassischen pflanzlichen Metapher des Baums des Wissens. Der Baum des Wissens ist einen traditionelles Organisationsmodell, das die Hierarchie des Wissens und der Wissenschaften beschreiben soll und dessen Tradition bis in die griechische Antike zurückreicht. Nach diesem Baummodell sind beispielsweise Taxonomien, Klassifikationen, klassische Enzyklopädien und Bibliotheken organisiert. Baum-Modelle sind hierarchisch und dichotomisch angelegt, das heißt: Jedes Element befindet sich auf einer (und nur einer) Ordnungsebene, ist einer höheren Ebene untergeordnet und kann einem oder mehreren Elementen übergeordnet sein. Es gibt keine Querverbindungen, die Hierarchieebenen überspringen oder Elemente verbinden, die zwei unterschiedlichen höheren Elementen übergeordnet sind. Eine solche Struktur lässt sich als „Baum“ darstellen, der mit einem „Stamm“ beginnt und sich dann weiter und weiter verzweigt. Es gibt jedoch zwischen den einzelnen Zweigen keine Querverbindungen.
Deleuze und Guattari halten das dichotomische Baummodell für epistemologisch unangemessen, weil es nicht offen ist für mögliche Veränderungen der Sichtweise wie etwa Verschiebungen der Forschungs- und Verstehensperspektive. Hierarchische Ordnungsstrukturen wie das Baummodell dürfen sich nicht kreuzen oder überschneiden. In einem Baummodell kann weder ein Element mehreren Ordnungsebenen angehören, noch sind Querverbindungen zu Elementen anderer Äste erlaubt. Genau dies aber erscheint in einer modernen Wissenswelt unumgänglich. Die Autoren halten das Baummodell auch für politisch gefährlich, da sie z.B. in Diktaturen die gleiche Baumstruktur in rigiden politischen Hierarchien umgesetzt sehen.
Als Alternative zum Baummodell ziehen Deleuze und Guattari rhizomatische Pflanzenstrukturen heran. Weitere Beispiele sind die Bauten von Ameisen und Ratten, die sie ebenfalls als „Rhizom“ beschreiben. Sie bleiben damit im Bereich der biologischen Metaphorik, finden aber eine Metapher, das ihrer Vorstellung von einer vielfach verflochtenen Struktur entspricht:
„Ein Rhizom ist als unterirdischer Strang grundsätzlich verschieden von großen und kleinen Wurzeln. Zwiebel- und Knollengewächse sind Rhizome. Pflanzen mit großen und kleinen Wurzeln können in ganz anderer Hinsicht rhizomorph sein, und man könnte sich fragen, ob das Spezifische der Botanik nicht gerade das Rhizomorphe ist. Sogar Tiere sind es, wenn sie eine Meute bilden, wie etwa Ratten. Auch der Bau der Tiere ist in all seinen Funktionen rhizomorph, als Wohnung, Vorratslager, Bewegungsraum, Versteck und Ausgangspunkt. Das Rhizom selber kann die unterschiedlichsten Formen annehmen, von der verästelten Ausbreitung in alle Richtungen an der Oberfläche bis zur Verdichtung in Zwiebeln und Knollen.“[1]
Ein Rhizom ist also ein „vielwurzelig“ verflochtenes System, das nicht in Dichotomien aufgeht: „Ein Rhizom kann an jeder beliebigen Stelle gebrochen und zerstört werden, es wuchert entlang seiner eigenen oder anderen Linien weiter.“[2]
In der Rezeption durch den Poststrukturalismus wurde vor allem Deleuzes und Guattaris Kritik der Logik der Identität aufgegriffen:
„Der Poststrukturalismus denkt sowohl in differenten Vielheiten wie in Zusammenhängen. Das dabei entstehende Bild von Einheit und Vielheit ordnet die Vielheit der Einheit nicht identitätslogisch unter bzw. sie verfällt nicht in bloß nominalistische Opposition, die nichts am Baumschema … ändert. Vielmehr verweben sich Einheit und Vielheit ineinander und weder existiert das eine vor oder über dem anderen noch hebt das eine das andere auf. Keines gibt es ohne das andere.“ [3]
Ordnung im Rhizom [Bearbeiten]

Einzelne Punkte in Rhizomen können und sollen untereinander verbunden werden („Konnexion“). Unterschiedlichste Sachverhalte können miteinander in Verbindung treten („Heterogenität“). Feste Strukturen und Ordnungssysteme sind in einer „rhizomatischen“ Wissenswelt möglich, aber nicht ausschließlich.
„Jedes Rhizom enthält Segmentierungslinien, nach denen es geschichtet ist, territorialisiert, organisiert, bezeichnet, zugeordnet etc.; aber auch Deterritorialisierungslinien, an denen es unaufhaltsam flieht.“[4]
Statt „Einheiten“ werden bevorzugt „Vielheiten“ beobachtet, von den Autoren „Plateaus“ genannt:
„Jede Vielheit, die mit anderen durch an der Oberfläche verlaufende unterirdische Stängel verbunden werden kann, so dass sich ein Rhizom bildet und ausbreitet, nennen wir Plateau.“;[5]
Plateaus können zwar miteinander verbunden sein, doch sind sie nicht so organisiert, dass wie im Baummodell ein Element zum „Stamm“ erklärt wird, von dem alle anderen abhängen. Je nach Betrachtungsperspektive kann das Zentrum eines Rhizoms überall und nirgends sein. Als Rhizom begriffen, wird der Wert scheinbar chaotischer Verknüpfungen verständlich:
„Der Baum und die Wurzel zeichnen ein trauriges Bild des Denkens, das unaufhörlich, ausgehend von einer höheren Einheit (...) das Viele imitiert. (...) Hydren und Medusen können wir nicht entkommen.“ [6]
Rhizom bedeutet die Befreiung von definierten Machtstrukturen: Viele Perspektiven und viele Ansätze können frei verkettet werden.
Rezeption [Bearbeiten]

Vor allem in der Philosophie der Postmoderne und der Medientheorie wird die „Rhizomatik“ diskutiert, weil der Begriff für viele Probleme der Orientierung innerhalb moderner Welten des Wissens einen Ansatzpunkt zu bieten scheint. Moderne Wissenswelten – dazu gehört auch die Wikipedia – nach dem klassischen Baummodell zu ordnen und zu kategorisieren ist ein unmögliches Unterfangen. Zwar können bestimmte Ordnungsstrukturen geschaffen werden, diese werden jedoch von internen Verknüpfungen und Verbindungslinien wieder untergraben.
Aus der Perspektive jeder Wissenschaft, jeder neuen Herangehensweise, jedes Fachgebiets baut sich das System und die Ordnung des bestehenden Wissens von neuem, in neuer Weise wieder auf. „In einem Rhizom gibt es keine Punkte oder Positionen wie etwa in einer Struktur, einem Baum oder einer Wurzel. Es gibt nichts als Linien.“[7] Vielen modernen Medientheoretiker scheint die Metapher des Rhizoms daher geeignet, um Strukturen von Hypertexten, sozialen Netzwerken oder Computernetzen wie dem Internet zu beschreiben.

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Freitag, 26. September 2008
Die Sokal-Affäre
Tiefe konzeptionelle Veränderungen innerhalb der Wissenschaft des 20. Jahrhunderts haben die kartesianisch-newtonsche Metaphysik untergraben . . . Dadurch wurde immer deutlicher, dass die physische Realität, nicht weniger als die gesellschaftliche, im Grunde ein soziales und sprachliches Konstrukt ist, dass wissenschaftliche Erkenntnis alles andere als objektiv ist, sondern die herrschenden Ideologien und Machtverhältnisse der Kultur, die sie hervorgebracht hat, widerspiegelt und verschlüsselt.

So geht der Unsinn-Beitrag von dem Physiker Alan Sokol los, der den poststrukturalismus von Derrida bis Lacan nicht nur hochnehmen, sondern scharf angreifen wollte. Der Titel hat auch unser CERN Thema mit drin: "Die Grenzen überschreiten: Auf dem Weg zu einer transformativen Hermeneutik der Quantengravitation." ich find das lustig. Den kompletten Text besorge ich noch aus der Bibliothek, der ist bestimmt was für uns. Das war eine Riesensache damals mitte der 90er:


Sokal-Affäre

Mit dem Schlagwort Sokal-Affäre (auch Sokal-Debatte, -Kontroverse) wird eine Auseinandersetzung über den Umgang postmoderner Philosophen mit der modernen Naturwissenschaft und der Mathematik bezeichnet. Der Vorwurf an die Philosophen lautete: Missbrauch naturwissenschaftlicher Theorien.


Vorgeschichte [Bearbeiten]1996 reichte der amerikanische Physiker Alan Sokal einen Aufsatz mit dem Titel Transgressing the Boundaries: Towards a Transformative Hermeneutics of Quantum Gravity (deutsch: Die Grenzen überschreiten: Auf dem Weg zu einer transformativen Hermeneutik der Quantengravitation) bei der amerikanischen, für ihre postmoderne Ausrichtung bekannten Zeitschrift für Cultural studies Social Text zur Veröffentlichung ein. Diese druckte ihn unbeanstandet mit anderen in einer Sondernummer ab.

Kurz nach der Veröffentlichung bekannte Sokal in einer anderen Zeitschrift, Lingua Franca, dass es sich bei dem Aufsatz um eine Parodie handle. Er habe die zusammengesuchten Zitate verschiedener postmoderner Denker mit dem typischen Jargon dieser Denkrichtung zu einem Text montiert, dessen unsinniger Inhalt bei Beachtung wissenschaftlicher Standards, so der Vorwurf an die Herausgeber von Social Text, als solcher hätte erkannt werden müssen.


Debatte [Bearbeiten]Dieser Vorfall löste im akademischen Milieu und der Presse (der Fall kam immerhin bis auf die Titelseite der New York Times) eine öffentliche Diskussion aus, wie dieser Vorfall im Besonderen und die Seriosität der postmodernen Philosophie im Allgemeinen zu bewerten sei. Sokal und Vertreter des kritisierten Personenkreises führten die Diskussion in weiteren Zeitschriftenartikeln fort und verteidigten ihre Standpunkte.

1997 veröffentlichte Sokal zusammen mit seinem belgischen Kollegen Jean Bricmont dazu ein Buch mit dem Titel Impostures Intellectuelles (übersetzt: Intellektuelle Hochstapeleien, deutscher Titel: Eleganter Unsinn), in dem er seine Thesen erklärt und an Beispielen von Texten bedeutender postmoderner französischer Philosophen erläutert (namentlich Jean Baudrillard, Gilles Deleuze/Félix Guattari, Luce Irigaray, Julia Kristeva, Jacques Lacan, Bruno Latour und Paul Virilio und – obwohl kein Postmoderner, als historisches Beispiel – Henri Bergson). In diesem Buch gaben Sokal/Bricmont – neben der Verteidigung gegen den vermuteten Missbrauch der Wissenschaft – auch ein politisches Motiv für ihren Vorstoß an. Sie bekannten sich zur politischen Linken und vertraten die Meinung, dass die zunehmende Verbreitung der postmodernen Denkrichtung in der Linken deren Fähigkeit zu wirkungsvoller Gesellschaftskritik schwäche.


Literatur [Bearbeiten]Alan Sokal/Jean Bricmont: Impostures Intellectuelles (Intellektuelle Betrügereien), Paris 1997
englische Ausgabe: Fashionable Nonsense. Postmodern Intellectual's Abuse of Science, New York 1998
deutsche Ausgabe: Eleganter Unsinn. Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaft mißbrauchen, München 1999

Siehe auch [Bearbeiten]Subversion
Grubenhund
Epistemologie
Sozialkonstruktivismus
Wissenschaftlicher Witz
Betrug und Fälschung in der Wissenschaft

Weblinks [Bearbeiten]Website von Alan Sokal mit umfangreicher Materialsammlung zum Vorgang
Kommentar von Bruno Latour
Ein Generator für "postmoderne Artikel"
Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Sokal-Aff%C3%A4re“




noch zwei links dazu:

http://www.physics.nyu.edu/faculty/sokal/transgress_v2/transgress_v2_singlefile.html

http://www.welt.de/print-welt/article581193/Hermeneutik_der_Quantengravitation.html

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Donnerstag, 3. Juli 2008
Carroll - Was die Schildkröte zu Achilles sagte
In Vorbereitung zum nächsten Deleuze Kapitel kommt hier das sogenannte Carroll-Paradox, das dieser ausgehend vom geschrieben hat... Es geht um die Frage:

Richten sich Wörter und Gedanken nach formalen Regeln oder nicht?


Was die Schildkröte zu Achilles sagte
von Lewis Carroll

Achilles hatte die Schildkröte eingeholt und sich gemütlich auf ihrem Rücken niedergelassen.
»So haben wir also das Ende unserer Rennbahn erreicht?«, sagte die Schildkröte. »Obgleich sie TATSÄCHLICH aus einer unendlichen Reihe von Abständen besteht? Ich dachte, irgend so ein ganz Schlauer hätte bewiesen, daß es unmöglich sei?«
»Es IST möglich«, sagte Achilles. »Man HAT es getan: Solvitur ambulando. Die Abstände werden eben immer KLEINER, und deshalb ...«
»Wenn sie aber ständig GRÖSSER geworden wären?«, unterbrach die Schildkröte. »Was dann?«
»Dann wäre ich nicht hier«, antwortete Achilles bescheiden, »und SIE wären schon einige Male um die Welt gelaufen!«
»Sie entzücken mich – ich meine, Sie ERDRÜCKEN mich«, sagte die Schildkröte, »denn Sie SIND OHNE ZWEIFEL ein Schwergewicht. Wollen Sie gern etwas über eine Rennbahn erfahren, von der die meisten Menschen glauben, daß man sie in zwei oder drei Schritten durchmessen kann, während sie IN WIRKLICHKEIT aus einer unendlichen Anzahl von Abständen besteht, von denen jeder länger als der vorhergehende ist?«
»Aber sehr gern!« sagte der griechische Held, und er entnahm seinem Helm (nur wenige griechische Helden besaßen zu jener Zeit TASCHEN) ein riesiges Notizbuch und einen Bleistift. »Beginnen Sie! Und sprechen Sie bitte LANGSAM. Die STENOGRAPHIE ist noch nicht erfunden worden!«
»Jener schöne erste Satz von Euklid«, murmelte die Schildkröte verträumt. »Sie bewundern Euklid?«
»Leidenschaftlich. Zumindest insofern ich eine Abhandlung bewundern KANN, die erst in ein paar Jahrhunderten veröffentlicht werden wird.«
»Nun gut. Nehmen wir einen kleinen Teil der Argumentation in diesem ersten Satz. Bitte schreiben Sie sie auf. Und um bequem mit ihnen umgehen zu können, nennen wir sie A, B und Z:
A) Sind zwei Dinge einem dritten gleich, so sind sie einander gleich.
B) Die zwei Seiten dieses Dreiecks sind einer weiteren gleich.
Z) Die zwei Seiten dieses Dreiecks sind einander gleich.
Wer Euklid gelesen hat, wird wohl zugeben, daß Z logisch aus A und B folgt, so daß jeder, der A und B akzeptiert, Z als wahr akzeptieren muss?«
»Ohne Zweifel. Das kleinste Kind in einem Gymnasium – sobald Gymnasien erfunden worden sind, was erst in etwa zweitausend Jahren der Fall sein wird – wird DAS zugeben.«
»Und wenn ein Leser A und B noch NICHT als wahr akzeptiert hat, könnte er die SEQUENZ noch immer als GÜLTIG akzeptieren, nicht wahr?«
»Sicher könnte es einen solchen Leser geben. Er könnte sagen: Ich akzeptiere als wahr den hypothetischen Satz, daß wenn A und B wahr sind, Z auch wahr sein muß, aber ich akzeptiere A und B NICHT als wahr. Ein solcher Leser wäre gut beraten, wenn er Euklid an den Nagel hängte und anfinge, Fußball zu spielen.«
»Und könnte es nicht AUCH einen Leser geben, der sagen würde: Ich akzeptiere A und B als wahr, aber ich akzeptiere NICHT die Schlußfolgerung?«
»Gewiss. Aber auch ER würde besser Fußball spielen.«
»Und KEINER dieser Leser«, fuhr die Schildkröte fort, »steht BISHER unter logischem Zwang, Z als wahr zu akzeptieren?«
»Gewiß«, stimmte Achilles bei.
»Also gut. Ich möchte, daß Sie MICH als einen Leser der ZWEITEN Sorte betrachten und mich mit Mitteln der Logik dazu zwingen, Z als wahr zu akzeptieren.«
»Eine Fußball spielende Schildkröte wäre ...«, begann Achilles.
»... eine Anomalität, natürlich«, unterbrach die Schildkröte hastig. »Zur Sache: Zuerst Z und dann Fußball.«
»Ich soll Sie also zwingen, Z zu akzeptieren«, sagte Achilles nachdenklich. »Und Ihre gegenwärtige Position ist die, daß Sie A und B akzeptieren, NICHT ABER die Schlußfolgerung ...«
»Nennen wir sie C«, sagte die Schildkröte.
»... aber Sie akzeptieren NICHT
C) Wenn A und B wahr sind, muß Z wahr sein.«
»Das ist meine gegenwärtige Position«, sagte die Schildkröte.
»Dann muß ich Sie bitten, C zu akzeptieren.«
»Ich werde das tun«, sagte die Schildkröte, »sobald Sie es in Ihrem Notizbuch niedergeschrieben haben. Was steht sonst noch drin?«
»Nur ein paar Aufzeichnungen«, sagte Achilles und blätterte nervös in dem Buch, »ein paar Aufzeichnungen über die Schlachten, in denen ich mich hervorgetan habe.«
»Viele unbeschriebene Blätter, wie ich sehe«, sagte die Schildkröte fröhlich. »Wir werden sie ALLE brauchen!« (Achilles schaudert) »Nun schreiben Sie auf, was ich Ihnen diktiere:
A) Sind zwei Dinge einem dritten gleich, so sind sie einander gleich.
B) Die zwei Seiten dieses Dreiecks sind einer weiteren gleich.
Z) Die zwei Seiten dieses Dreiecks sind einander gleich.«
»Sie sollten es D nennen, nicht Z«, sagte Achilles. »ES FOLGT unmittelbar den drei andern. Wenn Sie A und B und C akzeptieren, MÜSSEN Sie Z akzeptieren.«
»Und warum muß ich das?«
»Weil es LOGISCH daraus folgt. Wenn A und B und C wahr sind, MUSS Z wahr sein. DAS können Sie wohl nicht bestreiten?«
»Wenn A und B und C wahr sind, MUSS Z wahr sein«, wiederholte die Schildkröte nachdenklich. »Das ist WIEDER eine Behauptung, nicht wahr? Und wenn ich ihre Wahrheit nicht einsähe, könnte ich A und B und C annehmen, und Z IMMER noch nicht akzeptieren, nicht wahr?»
»Ja gewiß«, gab der aufrichtige Held zu, »wenn auch solche Dickköpfigkeit gewiß phänomenal wäre. Immerhin ist es MÖGLICH. Ich muß Sie also bitten, mir EINE weitere Behauptung zu gewähren.«
»Schön, ich gewähre sie Ihnen, sobald Sie sie notiert haben. Wir wollen sie D nennen.
D) Wenn A und B und C wahr sind, muß Z wahr sein. Haben Sie das notiert?«
»GEWISS«, rief Achilles freudig aus, während er den Bleistift wegsteckte. »Endlich sind wir am Ende dieser gedanklichen Rennbahn. Da Sie nun A und B und C und D akzeptiert haben, akzeptieren Sie NATÜRLICH auch Z.«
»So?«, fragte die Schildkröte unschuldig. »Machen wir uns das ganz klar. Ich akzeptiere A und B und C und D. Und wenn ich mich NOCH IMMER weigere, Z zu akzeptieren?«
»Dann würde die Logik Sie an der Gurgel packen und Sie ZWINGEN, das zu tun«, antwortete Achilles triumphierend. »Die Logik würde Ihnen sagen: Sie können gar nicht anders. Da Sie A und B und C und D akzeptiert haben, MÜSSEN Sie Z akzeptieren! Sie haben gar keine andere Wahl.«
»Was immer die LOGIK mir freundlicherweise sagt, verdient es, AUFGESCHRIEBEN zu werden«, sagte die Schildkröte. »Tragen Sie es also bitte in Ihr Buch ein. Wir nennen es:
E) Wenn A und B und C und D wahr sind, muß Z wahr sein.
Bis ich DAS zugegeben habe, brauche ich Z natürlich nicht zuzugeben. Es ist also ein durchaus NOTWENDIGER Schritt, nicht wahr?«
»Ich verstehe«, sagte Achilles, und in seiner Stimme lag ein bißchen Traurigkeit.
Hier mußte der Erzähler, der dringende Geschäfte auf der Bank zu erledigen hatte, das glückliche Paar verlassen, und erst nach einigen Wochen kam er wieder an diesen Ort. Achilles saß immer noch auf dem Rücken der geduldigen Schildkröte und schrieb in sein Notizbuch, das fast voll zu sein schien. Die Schildkröte sagte: »Haben Sie diesen letzten Schritt notiert? Wenn ich nicht den Faden verloren habe, macht das eintausendundeins. Es kommen noch einige Millionen dazu. Und WÜRDEN Sie bitte, als persönlichen Gefallen, sich überlegen, wieviel Lehrreiches dieses unser Gespräch den Logikern des 19. Jahrhunderts liefern wird? WÜRDEN Sie bitte einen Kalauer sich zu eigen machen, den meine Base, die Falsche Schildkröte, dann machen wird, und gestatten, daß Sie in ‚Griech-Tier’ umbenannt werden?«
»Wie Sie wollen«, antwortete der müde Krieger in den hohlen Tönen der Verzweiflung und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. »Vorausgesetzt, daß SIE IHRERSEITS einen Kalauer akzeptieren, den die Falsche Schildkröte nie gemacht hat, und gestatten, daß Sie von jetzt an die ‚Schnellzüngigste aller Nervensägen’ heißen!«

Text von
hier

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Dienstag, 22. April 2008
Logik des Sinns: Platon und das Trugbild
Lange, lange hab ich an diesem Text geknabbert und hoffe ihn jetzt einigermaßen verständlich zusammenfassen zu können. Es ist ein Grundtext aus dem Anhang des Buches, auf den die einzelnen Kapitel sich inhaltlich beziehen und er ist somit wichtig und als erstes zu erarbeiten:

Platon und das Trugbild

"Ein Universum in dem das Bild nicht mehr zweitrangig gegenüber dem Modell ist, in dem der Trug Wahrheit für sich beansprucht, indem es schließlich kein Original mehr gibt, sondern nurnoch ein ewiges Glitzern, wo im aufblitzen von Spiegelung und Wiederspiegelung das Fehlen eines Ursprucngs belanglos wird."
Maurice Blanchot aus Das Gelächter der Götter


1. Platon:
nur was sich ähnelt differiert
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Platon teilt die Welt in die Welt der Ideen (Urbilder) und die Welt der Dinge (Erscheinungen). Deleuze meint es geht nicht darum, diese zwei Welten auseinanderzuhalten, sondern darum ein Kriterium zu liefern, das es ermöglicht die "Bewerber" unter den Dingen zu unterscheiden und festzustellen, welcher dem Urbild am nächsten kommt.

Er Unterscheidet in:
1 Urbild
2 Abbild
3 Trugbild
, oder

1 Oringinal
2 Kopie
3 Imitat, oder

1 Idee
2 Ikone
3 Phantasma

Urbild ist der Grund, der etwas als erstes besitzt, an dem er aber teilhaben lässt und das er dem Bewerber gibt.

Abbilder sind sind Besitzer 2. Ranges, wohlbegründete Bewerber, durch Ähnlichkeit bestätigt. Sie ähneln der Sache - aber nicht äusserlich, sondern in der Idee dessen, sie haben einen inneren Bezug, eine Teilhabe.

Trugbilder sind falsche Bewerber, die auf Ungleichheit beruhen. Sie haben nur einen Ähnlichkeitseffekt, der ganz auf das Äußerlich auf die Oberfläche beschränkt ist.
Trugbilder schließen den Beobachtungswinkel mit ein, damit die Täuschung sich an dem Punkt einstellt, an dem der Beobachter sich befindet.
Wenn das Trugbild überhaupt ein Urbild hat, dann das des Unähnlichen.

Beispiele/Metaphern:

1 Gerechtigkeit
2 die eigenschaft des Gerechten
3 die Gerechten

1 Vater des Logos
2 der Logos selbst
3 die Schrift

1 Vater
2 Tochter
3 Verlobter

1 Das Gute als Vater des Gesetzes
2 das Gesetz selbst
3 die Verfassung (wenn sie sich dem Guten entzieht)

1 das Göttliche
2 die Moral (Tiefe)
3 die Ästetik (Oberfläche)

Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde und seiner Ähnlichkeit, doch durch den Sündenfall hat der Mensch die Ähnlichkeit verloren, das Bild aber bewahrt.
"Wir sind Trugbilder geworden. Wir haben die moralische Existenz verloren um in eine ästhetische Existenz einzutreten"


2. Die Umkehrung des Platonismus:
einzig die Differenzen ähneln einander
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Betrachten wir die Erscheinungen, die Dinge dieser Welt, als Trugbild, und nichtmehr wie im o.g. Ausschlussverfahren, wird das Trugbild gegenüber Ur- und Abbild aufgewertet.
Sein aktives So-tun-als-ob, seine immerwährende Immitation gibt ihm eine positive Kraft gegenüber den ruhenden unveränderlichen Urbildern und den eher passiven Abbildern. Dadurch kann man es nicht als schlechter bewerten, sondern man muss es den anderen beiden gleichstellen. Es ist keine Hirarchie mehr auszumachen, es gibt nurnoch "koexistenzen und simultane Ereignisse, nomadische Verteilungen und volendete Anarchien".

Das was das Trugbild ausmacht ist seine Differenz. Sehen wir die Erscheinungen als Trugbild, werden Idee und Abbild dadurch sogar nichtig. Sie bekommen ihre 'Daseinsberechtigung' nurnoch dadurch, dass sie durch Trugbilder simuliert werden können - sie sind nurnoch dazu da, das Funktionieren des Trugbildes zu ermöglichen.
Sobald sie aufhören simuliert zu werden, werden Idee und Ikone zu Illusionen.

Deleuzes über das Trugbild in der Kunst:
"...mehrere Geschichten gleichzeitig zu erzählen - darin liegt zweifellos der wesentliche Charakter eines modernen Kunstwerkes..."

- "...Es handelt sich um unterschiedliche divergente Geschichten, wie wenn jedem einzelnen Gesichtspunkt eine völlig verschiedene Landschaft entspräche"

- "...der Brief aus (Joyce's) Finnegan's Wake ist nicht irgendein Chaos, es ist die Macht der Bejahung."

- Es gibt zwar auch eine Einheit aus divergierenden Serien, doch im Großen Werk bilden sie immer ein zentrumloses Chaos.

- In Nietzsches Zarathustra werden in "Plattitüden verwandelt, was weitaus tiefer, in ein Leierlied, was eine andere Musik, in zirkelhafte Einfachheit, was weitaus verschlungener ist".



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Anmerkung:
- Den Part mit der ewigen Wiederkehr hab ich nicht wirklich verstanden. Darüber hat Deleuze später auch ein ganzes Buch geschrieben: "Differenz und Wiederholung". Darin wird sicher ausführlicher darauf eingegangen.
Im Ganzen ist es interessant zu sehen, wie sehr seine komplette Philosophie in diesem Text seinen Ursprung nimmt. Viele Gedanken seiner späteren Werke "Rhizome" und "Tausend Plateaus" sind hier auch schon vertreten.

- Betrachtet man die Welt wirklich so, als Welt der Trugbilder, werden "Gründe" warum etwas getan wird, warum etwas so ist, wie es ist etc... hinlänglich. Die Tiefe geht verloren, zurück bleiben Oberflächen.

- Mit diesem Wissen wird auch Logik des Sinns, Kapitel 2. Von den Oberflächenwirkungen verständlicher. (siehe unten)

- Und wiedermal kann die MATRIX als philosophisches Beispiel herhalten. Eine Figur will zurück in die Matrix, die Scheinwelt, die Welt der Trugbilder, er hat es satt die Wirklichkeit zu sehen, Er will in der Welt der Trugbilder leben und sie genießen ohne an eine originalere Welt denken zu müssen.
Da kommt die Frage nach Computerspielen, Filmen und Theaterstücken auf. Ein Trugbild in einem Trugbild in einem Trugbild - das sind sie die Deleuzianischen tausend Masken der Phantasmas.

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Mittwoch, 9. April 2008
Deleuze // aus Italien
Mittlerweile kämpfen Malte und ich gemeinsam durch den Text. Während dessen hab ich mal Andre Weber gefragt was er dazu weiss- er hatte Deleuze im Studium. Hier was er aus Italien schrieb:


Ja, dieser Deleuze hat es in sich. "Logik des Sinns" ist eine seiner beider Habilitationsschriften (er hat zwei gleichzeitig geschrieben!!) die andere ist "Differenz und Wiederholung" und ein wahres Theatrum Philosophicum, ich habe mich mehr mit diesem Werk befasst. Leider habe ich keine Materialien zu Logik des Sinns. Ich finde deine Zusammenfassung erfasst schon sehr wesentliche Dinge der deleuzschen Philosphie (soweit ich das beurteilen kann...).

Deleuze propagiert in dieser Schrift naemlich den Aufstieg der Simulakren, also von Trugbildern (z.B. Spiegelbilder), die keine Tiefe, sondern nur Oberflaeche sind (so wie du ja auch geschrieben hast). Diesen Grundgedanken entwickelt Deleuze in einem dem Haupttext angefuegten Essay "Die Umkehrung des Platonismus", den man vielleicht zuerst lesen sollte genauso wie "Das Trugbild bei Lukrez" (oder so aehnlich). Am Beispiel des Textes von Carroll zeigt er dann diverse Sinnparadoxa auf, die versuchen etwas Unsagbares auszudruecken. Da es mit Worten grundsaetzlich unmoeglich ist, das wahre Sein der Dinge zu erfassen (sie sind ja selber nur ein kuenstliches System), bedient er sich auf der (Text-)Oberflaeche paradox erscheinender Bilder (eben Trugbilder). Deleuze unterminiert also das gaengige Verstaendnis Sprache, Worten und auch der Philosophie, die bis dahin versuchte, mit Worten die Wahrheit zu suchen, ohne die Worte selbst zu hinterfragen.

Na ja, ich weiss nicht, ob dir das hilft, wahrscheinlich wusstest du das selbst schon, ist ja nicht dein erstes Deleuze-Buch. Ich freue mich schon zu sehen, was du wieder tolles machst, gerade diese Anwendung des Deleuzes auf die Kunst ist spannend. Schau doch auch mal hier: http://nomoi.philo.at/per/rh/ellvau/fb/c2023.htm
ein Schweizer Philosophieprofessor erklaert hier ganz gut Grundlagen der Deleuze-Philosophie.


tausend dank dafür!
und weiteres also in Kürze...

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Montag, 7. April 2008
Logik des Sinns: Serie der Paradoxa 2
2. Von den Oberflächenwirkungen
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"Die Stoiker unterschieden radikal zwei Ebenen des Seins: zum einen das tiefe und wirkliche Sein, die Kraft; andererseits die Ebene der Tatsachen, um die es auf der Oberfläche des Seins geht und die eine endlose Vielheit unkörperlicher Wesen bildet" Emile Bréhier

Im gegensatz zu Platons Einteilung der Welt in die Dimension der Dinge und der Dimension des Werdens, teilen die Stoiker die Welt an einer Stelle "an der nie zuvor eine Grenze zu erkennen war". Sie stellen Schicksal und Notwendigkeit gegenüber und kehren so sogar, den Platonismus radikal um.

Es gibt zwei unterschiedliche Arten des Seins:

1. Körper und Dingzustände
- mit physischen Qualitäten
- mit Beziehungen und Mischungen zwischen den Körpern
- mit Aktionen und Passionen der Körper
- nur sie existieren im Raum
- die einzige Zeit der Körper ist die Gegenwart, die allein in der Zeit existiert.
- es gibt ausschließlich Ursachen, niemals Wirkungen.
- alle Ursachen sind Schicksal.
Bsp: Körper sind Eisen und Feuer. Vermischen sie sich
sind beide Körper koexistent: das Feuer ist im Eisen (das Rotglühen).

2. unkörperliche Wirkungen und Ereignisse
(man könnte auch sagen eine Dimension der Verben?)
- sie haben niemals physische Qualitäten oder Eigenschaften.
- sie sind ausschließlich logische oder dialektische Attribute.
- sie sind ein Werden, dass die Gegenwart bis ins unendliche in Vergangenheit und Zukunft teilt.
sie sind also ein Unbegrenzt-Werden und niemals in der Gegenwart.
- sie sind einzig auf der Oberfläche zu erkennen
- Wirkungen erzeugen ausschließlich Wirkungen.
Bsp: das Beginnen-zu-glühen ist ein unkörperliches Ereignis an der Oberfläche, der Schnittkante zwischen Feuer und Eisen. Die Körper selber verändern ihre Eigenschaften nicht.

Wachsen, verkleinern, erröten, zu grünen beginnen..., sind also keine Dingzustände oder Mischungen der Körper sondern nur Ergebnisse dieser Mischungen, unkörperlich und nur an der Oberfläche der Dinge.
Nach Emile Bréhier bringt der Schnitt eines Skapells ins Fleisch nicht eine neue Eigenschaft des Fleisches hervor, sondern ein neues Attribut, das des "zerschnitten seins".


Eine neue Art der Kausalbeziehung,
(Beziehung zwischen Ursache und Wirkung) wird dadurch erschaffen:

Ursachen erzeugen Ursachen (=Schicksal) und Wirkungen erzeugen Wirkungen (=Notwendigkeit)

Wenn Körper alle Zustände, Qualitäten und Ursachen vereinen muß umgekehrt gelten:
daß die Wirkung alles Ideelle (die Ideen) auf die Oberfläche der Dinge spiegelt.
Aus Platons Trugbildern werden Wirkungen - damit ergibt sich die Umkehrung des Platonismus.
Das nennt Deleuze Oberflächenwirkung oder auch Phantasma.


Das Paradoxon:

Alles was sich ereignet, passiert an der Oberfläche.
Das Paradoxon erscheint als Entfaltung der Sprache an dieser Grenze.

Chrysipp lehrt:" Wenn du etwas sagst, kommt es aus deinem Mund. Wenn du also sagst ein Karren, dann kommt der Karren auch aus deinem Mund"
(siehe auch Nonsense oder Zenbuddhismus)

"Im Gegensatz zur Ironie Platons ist der Humor die Kunst der Oberfläche"

"Wir gehen von den Körpern zum Unkörperlichen, indem wir dem Grenzverlauf folgen, indem wir über die Oberfläche entlanggleiten"

Deleuze bemerkt bei Carroll eine immer mehr zur reinen Oberfläche tendierenden Geschichte: Zum einen änderte er später den Titel Alice und ihre unterirdischen Abenteuer zum anderen werden Figuren und Inhalte immer 2-Dimensionaler immer mehr Oberfläche: Zu Anfang sind es noch Kaninchenbau und Tiere, später sind es Spielkarten, Schachbretter und Spiegelbilder. In Sylvie & Bruno beschreibt er eine Walzmaschine die Lieder in die länge ziehen kann und ein Beutel, der so zusammengenäht wurde, dass "seine äußere Oberfläche in Kontinuität zu seiner inneren Oberfläche steht" (siehe Möbius Band)... "Er umhüllt die ganze Welt und bewirkt, dass das was innen ist, außen wird, und das, was außen ist, innen..."

Möbius Band:

eine geometrische Form mit nur einer Seite und einer Fläche

Deleuze behauptet: Alice erlebt nicht mehrere Abenteuer, sondern nur ein einziges: ihren Aufstieg an die Oberfläche.
"und wenn es hinter dem Vorhang nichts zu sehen gibt, dann desshalb, weil das Sichtbare oder eher das ganze mögliche Wissen eben die Fläche des Vorhangs ist..."

Dass sich Carroll tatsächlich mit dem Thema der Oberflächen befasst haben muß, belegt das Zitat aus seinem Aufsatz The dynamics of a particle "Glatte Oberfläche ist das Hauptmerkmal eines Diskurses..."

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Samstag, 5. April 2008
Logik des Sinns: Serie der Paradoxa 1
1. Vom reinen Werden
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"denn immer vorwärts schreitet das wärmere, und bleibt nicht, und ebenso auch das kältere. Das von bestimmter größe aber steht still und ist aufgehalten im Fortschreiten"
Platon

Platon unterscheidet zwischen
einer Dimension des Festgelegten
- mit Maß versehene Dinge (größe, Gewicht...)
- mit festgelegte Eigenschaften (Farbe, Form... und auch: Namen!)
- Diese Dimension ist Gegenwärtig. nur im Jetzt kann ich das Ding beschreiben, benutzen...
- Jedes Ding unterliegt der Idee (nach Platon), seines Urbilds.
- Damit ist diese Dimension Grundlage des gesunden Menschenverstandes

einer Dimension des Werdens, der Bewegung
- als etwas was nicht festgelegt sein kann, da es sonst nicht mehr im Prozess des Werdens ist... denn: hat etwas einen Zustand erreicht ist das Werden abgeschlossen (größer werden, kleiner werden, älter werden, jünger werden)
- Sie unterliegt nicht einer jeweiligen Idee wie die festgelegten Dinge und auch nicht eines Abbildes der Idee, sondern "bildet den Stoff des Trugbildes"
- Weil das Werden nur als ganzes betrachtet werden kann, ist es nicht gegenwärtig. man kann es auch in beide Richtungen (Vergangenheit/Zukunft...) denken.(größer und kleiner)
- Die Sprache setzt die Grenzen des Werdens. aus dem mehr werden, wird irgendwann ein zu viel...

bei Alice entsteht durch eine Umkehrungen der ersten (o.g.) Dimension zur Zweiten das Paradoxe:
"gestern und morgen Marmelade - niemals heute!"
"Fünf Nächte sind fünfmal wärmer als eine einzige"
"Schreien noch vor dem Stechen./ Sich-Bedienen noch vor dem Austeilen."

Dadurch beginnen sich "die Substantive und adjektive zu verflüssigen".
Die Namen der Stillstände werden von den Verben des Werdens "mitgerissen" und gleiten in die Sprache der Ereignisse.
Namen, das Ich, die Welt und Gott verlieren jede Identität. So auch Alice des öfteren.
In dieser zerstörung des Festgelegten, des "gesunden Menschenverstandes" liegt das Paradoxon.

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Deleuze: Logik des Sinns
Ich habe mir heute das Buch Gilles Deleuze - Logik des Sinns ausgeliehen und versuche nun Stück für Stück zusammenzufassen, was ich als nicht Philosophiestudent verstehe.
Das ganze dient zur erstellung einer neuen Theater-Version von Alice im Wunderland.
Schön ist, daß Deleuze sein Buch in einzelne Paradoxa unterteilt, so kann man sie gezielt einsetzen.
Schön wärs, wenn wir über die Kommentarfunktion Assoziationen und weitere Paradoxa des gleichen Types erfinden und sammeln...

Als Einleitung erstmal allgemein:

Deleuze geht es in "die Logik des Sinns" um eine Untersuchung von Sinn.
Er möchte eine Theorie darüber erstellen was Sinn ist und was ihn ausmacht.
Um das klarzustellen untersucht er den Un-Sinn bei Carroll's Alice im Wunderland und die Darstellungen der Stoiker

Carroll desshalb, weil er der erste war, der mit "Alice" eine Untersuchung von Sinn vorgenommen hat und der darin alle Paradoxa "aufführt, sammelt, erneuert, erfindet oder umarbeitet".

Die Stoiker desshalb, weil sie als erste die Logik (die "auf Erkenntnis, Erklärung und Beweisführung gerichtet ist") anführen und damit, nach Deleuze "eng mit der Beschaffenheit der Sinntheorie verbunden sind"

Deleuzes These ist, dass Sinn erst durch Denken und Sprache produziert wird und nicht ein Bestandteil der Natur ist.

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Sonntag, 23. März 2008
Alice im Quantenland
Heute noch drüber gesprochen: Die Heisenbergsche Unschärferelation. Und schon per Zufall eine Alice-Version dazu gefunden. Liegt aber auch auf der Hand: Welches real existierende Wunderland ist wunderlicher als die Welt der Quanten?
Leider ist das Buch in englisch, was dieses schwierige Thema nicht einfacher macht. Es gibt es aber auch in deutsch

zum Buch



und hier noch die englische Seite von Robert Gilmore zum Thema
Alice im Quantenland

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Sonntag, 24. Februar 2008
Gilles Deleuze
Die Logik des Sinns, Frankfurt a.M. 1989 (orig. 1969)

In diesem Buch, einem der vier Hauptwerke, zeigt Deleuze, daß Sinn in der Natur nicht existent ist und erst durch Sprache oder Denken produziert wird. Er entsteht zwischen den Ereignissen, die den Körpern widerfahren, und der Sprache als Ereignis, die sich auf jene bezieht. Wie man hier schon sieht, schleicht sich der Unsinn ein. Körperereignisse werden nur gedacht und durch Sprache beschrieben, sind nicht existent, obwohl es sie doch zu geben scheint. Überall scheint der Unsinn den Sinn zu verteilen. Es gibt kein sinnschaffendes Subjekt bzw. das große Objekt auf den aller Sinn hinausläuft (Entlarvung der Theologie und Tranzendentalphilosophie). Es läuft alles auf die strenge Forderung der Identitätsauflösung hinaus. Im weiteren Verlauf nimmt Deleuze wiedereinmal seine Universalgeschichte der Menschheit auf und gibt diesmal ziemlich genaue psychoanalytische Einsichten. Auch spricht der Autor von der "Großen Gesundheit", insofern könnte man das Buch jenen empfehlen, die mal ein bißchen was praktisch Anwendbares von ihm erfahren wollen. Lebt den Riss, werdet krank.

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