Samstag, 16. Februar 2008
Humpty Dumpty
„[…] Da hast du Ruhm!“
„Ich weiß nicht, was du mit ‚Ruhm‘ meinst“, sagte Alice.
Humpty Dumpty lächelte verächtlich. „Natürlich nicht – bis ich es dir sage. Ich meinte: Da hast du ein schönes zwingendes Argument!“
„Aber ‚Ruhm‘ heißt doch nicht ‚schönes zwingendes Argument‘“, entgegnete Alice.
„Wenn ich ein Wort verwende“, erwiderte Humpty Dumpty ziemlich geringschätzig, „dann bedeutet es genau, was ich es bedeuten lasse, und nichts anderes.“
„Die Frage ist doch“, sagte Alice, „ob du den Worten einfach so viele verschiedene Bedeutungen geben kannst“.
„Die Frage ist“, sagte Humpty Dumpty, „wer die Macht hat – und das ist alles. […]“
Anschließend an diese Passage aus Lewis Carrolls Alice hinter den Spiegeln wird der Name Humpty Dumpty häufig und meist in polemischem Sinn auch in der Philosophie verwendet:
Als Humpty-Dumpty-Argumente werden Behauptungen bezeichnet, (1.) die in einer Diskussion als gültig angeführt werden, ohne dass eine andere Begründung für sie angegeben wird als die Berufung auf faktische Macht, die es erlaubt, auf wirkliche Argumente zu verzichten, oder (2.) in denen Worte mit einer idiosynkratischen Bedeutung gebraucht werden, die von der allgemein akzeptierten Bedeutung in krasser Weise abweicht.
Als Humpty-Dumpty-Semantik gilt eine intentionalistische Sprachauffassung, die davon ausgeht, dass Worten ihre Bedeutung nicht qua Gebrauch zukommt, sondern dass sie durch bedeutungsverleihende Akte des Subjekts konstituiert wird. In dieser Bedeutung wird der Ausdruck vor allem im Zusammenhang der sprachanalytischen Kritik der Bewusstseinsphilosophie – etwa der Phänomenologie Husserls – gebraucht.

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