Donnerstag, 20. November 2008
Traum als Dramaturg RP vom 14.11.08
Moers
Traum als Dramaturg
VON ANJA KATZKE

Moers (RP) Regisseur Kay Voges nimmt sein Publikum mit auf eine Expedition ins Wunderland: Er realisiert für das Schlosstheater einen Theaterabend nach Lewis Carrolls Buch „Alice im Wunderland“. Premiere ist am 22. November.

Der Traum ist der Dramaturg der Geschichte: Das Mädchen Alice folgt einem weißen Kaninchen in seinen Bau und landet in einer Welt voller Absurditäten. Sie begegnet einer Gruppe winziger Tiere, die in einem Meer von Tränen gestrandet sind. Sie trifft auf einen Säugling, der sich in ein Schwein verwandelt, auf vermenschlichte Spielkarten, und sie stößt auf die Grinsekatze, die im Verlauf des Gesprächs verschwindet, bis nur noch ihr Grinsen sichtbar ist. Das Kinderbuch wurde erstmals am 4. Juli 1865 veröffentlicht. Es ist inspiriert durch eine Bootsfahrt auf der Themse, auf der der englische Mathematik-Dozent Charles Dodgson drei Schwestern diese furiose, albtraumartige Geschichte erzählte, die er später als Lewis Carroll unter dem Titel „Alice im Wunderland“ niederschrieb. Regisseur Kay Voges will in seiner Inszenierung der Frage nachspüren, was verrückt und was scheinbar normal ist: „Was passiert, wenn ich kopfüber in eine Loch falle und die Welt plötzlich kopf steht“, erklärt Voges seine Idee.

Carroll-Motive als Leitfaden

Seine Inszenierung will von einer ungewöhnlichen Form der Begegnung erzählen: Vier Schauspieler, ein Musiker, vier Videokünstler und das Regieteam treffen auf eine der berühmtesten Figuren der Literaturgeschichte. Die Theaterfassung ist auf unkonventionelle Weise entstanden, und zwar im Probenprozess. „Das, was auf der Bühne zu erleben ist, geht auf den Input aller Beteiligten zurück. Es ist deshalb eine Uraufführung“, betont Dramaturg Alexander Kerlin. „Wir haben die Motive aus Alice aufgegriffen, daraus aber ein neues Stück realisiert. Die Motive sind unser Leitfaden“, betont Kay Voges. Seine Expedition ins Wunderland spielt in einer Wohngemeinschaft. Dort bewegt sich Alice permanent auf ihre Grenzen zu, die Zeit gerät aus ihren Fugen, und die anderen Menschen handeln merkwürdig. „Wir dekonstruieren eine Persönlichkeit. Es geht letztendlich um die Frage: Wie definieren wir unser Menschsein“, erklärt der Krefelder Regisseur. Und wie schon Carroll in seiner Erzählung die Logik sprengte, will Voges nicht den Versuch unternehmen, logische Verbindungen der Figuren herzustellen. „Es ist ein Stück zwischen Rausch und kollektivem Albtraum, in dem die Schauspieler in ihren Rollen changieren.“ Unterstützt wird der Krefelder Regisseur von den Medienkünstlern „Sputnic“, die die Inszenierung mit Videos, Animationen und Projektionen einrahmen. Sie haben auch die Bühne im Schloss entworfen. Für die Musik zeichnet Markus Maria Jansen aus Krefeld verantwortlich. Wie schon Carrolls Geschichte nicht wirklich für Kinder geeignet scheint, sollte man im Schloss kein Kinderstück erwarten. Alexander Kerlin: „Es geht richtig zur Sache.“

... comment