Dienstag, 22. April 2008
Logik des Sinns: Platon und das Trugbild
Lange, lange hab ich an diesem Text geknabbert und hoffe ihn jetzt einigermaßen verständlich zusammenfassen zu können. Es ist ein Grundtext aus dem Anhang des Buches, auf den die einzelnen Kapitel sich inhaltlich beziehen und er ist somit wichtig und als erstes zu erarbeiten:

Platon und das Trugbild

"Ein Universum in dem das Bild nicht mehr zweitrangig gegenüber dem Modell ist, in dem der Trug Wahrheit für sich beansprucht, indem es schließlich kein Original mehr gibt, sondern nurnoch ein ewiges Glitzern, wo im aufblitzen von Spiegelung und Wiederspiegelung das Fehlen eines Ursprucngs belanglos wird."
Maurice Blanchot aus Das Gelächter der Götter


1. Platon:
nur was sich ähnelt differiert
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Platon teilt die Welt in die Welt der Ideen (Urbilder) und die Welt der Dinge (Erscheinungen). Deleuze meint es geht nicht darum, diese zwei Welten auseinanderzuhalten, sondern darum ein Kriterium zu liefern, das es ermöglicht die "Bewerber" unter den Dingen zu unterscheiden und festzustellen, welcher dem Urbild am nächsten kommt.

Er Unterscheidet in:
1 Urbild
2 Abbild
3 Trugbild
, oder

1 Oringinal
2 Kopie
3 Imitat, oder

1 Idee
2 Ikone
3 Phantasma

Urbild ist der Grund, der etwas als erstes besitzt, an dem er aber teilhaben lässt und das er dem Bewerber gibt.

Abbilder sind sind Besitzer 2. Ranges, wohlbegründete Bewerber, durch Ähnlichkeit bestätigt. Sie ähneln der Sache - aber nicht äusserlich, sondern in der Idee dessen, sie haben einen inneren Bezug, eine Teilhabe.

Trugbilder sind falsche Bewerber, die auf Ungleichheit beruhen. Sie haben nur einen Ähnlichkeitseffekt, der ganz auf das Äußerlich auf die Oberfläche beschränkt ist.
Trugbilder schließen den Beobachtungswinkel mit ein, damit die Täuschung sich an dem Punkt einstellt, an dem der Beobachter sich befindet.
Wenn das Trugbild überhaupt ein Urbild hat, dann das des Unähnlichen.

Beispiele/Metaphern:

1 Gerechtigkeit
2 die eigenschaft des Gerechten
3 die Gerechten

1 Vater des Logos
2 der Logos selbst
3 die Schrift

1 Vater
2 Tochter
3 Verlobter

1 Das Gute als Vater des Gesetzes
2 das Gesetz selbst
3 die Verfassung (wenn sie sich dem Guten entzieht)

1 das Göttliche
2 die Moral (Tiefe)
3 die Ästetik (Oberfläche)

Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde und seiner Ähnlichkeit, doch durch den Sündenfall hat der Mensch die Ähnlichkeit verloren, das Bild aber bewahrt.
"Wir sind Trugbilder geworden. Wir haben die moralische Existenz verloren um in eine ästhetische Existenz einzutreten"


2. Die Umkehrung des Platonismus:
einzig die Differenzen ähneln einander
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Betrachten wir die Erscheinungen, die Dinge dieser Welt, als Trugbild, und nichtmehr wie im o.g. Ausschlussverfahren, wird das Trugbild gegenüber Ur- und Abbild aufgewertet.
Sein aktives So-tun-als-ob, seine immerwährende Immitation gibt ihm eine positive Kraft gegenüber den ruhenden unveränderlichen Urbildern und den eher passiven Abbildern. Dadurch kann man es nicht als schlechter bewerten, sondern man muss es den anderen beiden gleichstellen. Es ist keine Hirarchie mehr auszumachen, es gibt nurnoch "koexistenzen und simultane Ereignisse, nomadische Verteilungen und volendete Anarchien".

Das was das Trugbild ausmacht ist seine Differenz. Sehen wir die Erscheinungen als Trugbild, werden Idee und Abbild dadurch sogar nichtig. Sie bekommen ihre 'Daseinsberechtigung' nurnoch dadurch, dass sie durch Trugbilder simuliert werden können - sie sind nurnoch dazu da, das Funktionieren des Trugbildes zu ermöglichen.
Sobald sie aufhören simuliert zu werden, werden Idee und Ikone zu Illusionen.

Deleuzes über das Trugbild in der Kunst:
"...mehrere Geschichten gleichzeitig zu erzählen - darin liegt zweifellos der wesentliche Charakter eines modernen Kunstwerkes..."

- "...Es handelt sich um unterschiedliche divergente Geschichten, wie wenn jedem einzelnen Gesichtspunkt eine völlig verschiedene Landschaft entspräche"

- "...der Brief aus (Joyce's) Finnegan's Wake ist nicht irgendein Chaos, es ist die Macht der Bejahung."

- Es gibt zwar auch eine Einheit aus divergierenden Serien, doch im Großen Werk bilden sie immer ein zentrumloses Chaos.

- In Nietzsches Zarathustra werden in "Plattitüden verwandelt, was weitaus tiefer, in ein Leierlied, was eine andere Musik, in zirkelhafte Einfachheit, was weitaus verschlungener ist".



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Anmerkung:
- Den Part mit der ewigen Wiederkehr hab ich nicht wirklich verstanden. Darüber hat Deleuze später auch ein ganzes Buch geschrieben: "Differenz und Wiederholung". Darin wird sicher ausführlicher darauf eingegangen.
Im Ganzen ist es interessant zu sehen, wie sehr seine komplette Philosophie in diesem Text seinen Ursprung nimmt. Viele Gedanken seiner späteren Werke "Rhizome" und "Tausend Plateaus" sind hier auch schon vertreten.

- Betrachtet man die Welt wirklich so, als Welt der Trugbilder, werden "Gründe" warum etwas getan wird, warum etwas so ist, wie es ist etc... hinlänglich. Die Tiefe geht verloren, zurück bleiben Oberflächen.

- Mit diesem Wissen wird auch Logik des Sinns, Kapitel 2. Von den Oberflächenwirkungen verständlicher. (siehe unten)

- Und wiedermal kann die MATRIX als philosophisches Beispiel herhalten. Eine Figur will zurück in die Matrix, die Scheinwelt, die Welt der Trugbilder, er hat es satt die Wirklichkeit zu sehen, Er will in der Welt der Trugbilder leben und sie genießen ohne an eine originalere Welt denken zu müssen.
Da kommt die Frage nach Computerspielen, Filmen und Theaterstücken auf. Ein Trugbild in einem Trugbild in einem Trugbild - das sind sie die Deleuzianischen tausend Masken der Phantasmas.

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Kreschtheater spielt "Alice"
ALICE (UA)
von Katja Hensel nach Lewis Carroll
im Kreschtheater Krefeld
Regie: Franz Mestre | Dramaturgie: Ruth Heynen | Bühne: Frank Andermahr | Kostüm und Requisite: Birgit Schöne | Realisation: Jutta Plass | Es spielen: Katja Hensel, Heide Michels, Joanna Praml, Silvia Westenfelder



Die Inszenierung von Alice im Kreschtheater war wirklich schön. Ein Stück für die ganze Familie - sogar die ganz Kleinen (wie man auf dem Bild sieht). Und auch ich war gut unterhalten. Die Autorin Katja Hensel, die zusäzlich auch noch alle großen Hauptrollen (bis auf Alice) spielt hat eine stimmige einstündige Version des Carrollschen Klassikers gemacht. Aufhänger des Stückes ist die zu Anfang erklärte Aufgabe "auf einen Nicht Elefanten aufzupassen". Damit beginnt die Geschichte mit allen Wichtigen Figuren, dahin rettet sie sich, wenn die Situationen ins auswegslos-absurde driften und damit endet die Aufführung im "Schleifenzustand", in dem aus dem "auf den Nichtelefant aufpassen" per praphrasierung ein "nicht auf den elefant aufpassen" wird.
Dazwischen wird Kindgerecht-virtuos in alle Charaktere eingetaucht: Als Rollops mit Kugeln in den Backen und Rollschuhen, Als Hutmacher mit Handtasche auf dem Kopf, als Flamingo mit Federboa und als Herzkönig mit Krone und Haaren im Gesicht. Lustig und nicht zu albern.
Die Bühne besteht aus drei Tischen in unterschiedlichster größe. Hiermit wurden sehr schön die Schrumpf- und Wachs-momente von Alice bebildert. Drumherum liegt eine Menge Spielzeug, dass für die jeweiligen Kostüme zweckentfremdet wird.
Die Farbigkeit auch die der Kostüme mochte ich zu Anfang nicht, doch ging sie gut in dem Sück auf. Das Spielerische Moment mit den Kostümen und Requisiten machte viel Freude.
Alice wurde sehr schön von Joanna Praml verkörpert, doch die Autorin selber glänzte am meisten durch die überzeugend schnellen Wechsel in unterschiedliche Figuren.

Alles in Allem war das Stück eine schöne kurzweilige Unterhaltung, die durch den Sinn und Unsinn unserer Sprache und Situationen führte.

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